Was ich mit 22 Jahren (nicht) gemacht habe

Weißt du noch, was du mit 22 Jahren gemacht hast? Ich verfolgte eine Geschäftsidee und träumte vom großen Gründungserfolg - 9 Jahre später wurde mir durch eine Gespräch in meinem Podcast bewusst, wie naiv ich gewesen bin...

Als ich im Jahr 2008 an der Universität Witten/Herdecke Wirtschaftswissenschaften zu studieren begann, nahmen zwei Kommilitonen und ich an einem Gründerwettbewerb teil. Ohne wirklich zu wissen, was ein Geschäftsmodell ist, gelang es uns irgendwie 3.000 € an Startkapital zu gewinnen. Aber spätestens zwei Jahre später, mit 22 Jahren, musste ich ehrlich feststellen: Nette Idee, aber wahnsinnig schlechte Umsetzung. Was unsere Idee gewesen ist?

Ganz einfach. Stell dir vor, du stehst in deiner Küche und dir fällt auf, dass du nicht genügend Milch, Eier und Joghurt auf Vorrat hast. Wäre es jetzt nicht großartig, wenn du auf einem Touchpad mit ein paar Klicks die nötigen Lebensmittel bestellen könntest? Und wäre es nicht noch großartiger, wenn diese dir umgehend geliefert werden würden? Ich sag ja, nette Idee.

Hallo Kühlschrank, ist noch Milch vorhanden?

Als Wirtschaftsstudent träumte ich im ersten Semester vom großen Gründungserfolg. Selbst ein Gespräch mit einem Edeka-Markt, dessen Leiter uns die Komplexität von Warenwirtschaftssystemen, Logistik und Kühlketten ans Herz legte, hinderte uns nicht daran, Kontakt mit chinesischen Touchpad-Lieferanten aufzunehmen und einen Prototyp anfertigen zu lassen – first things first?! Während ich von einer gewissen „Rose“ aus Guangzhou heute noch Spam-Mails geschickt bekomme, ahnst du sicherlich, dass das ganze Vorhaben im Sand von Credit Points, Parties und Praktika verlief.

Mittlerweile sind smarte Kühlschränke auf dem Vormarsch. In ein paar Jahren wird es wohl normal sein, über eine App einen Blick ins Innere des Gerätes zu werfen, um zu prüfen, ob noch genügend Milch vorhanden ist. Für mich war es mit 22 Jahren normal, nicht genügend Erfahrung zu haben, um zu wissen, dass eine nette Idee nichts wert ist, so lange sie nicht umgesetzt wird. Immerhin hatten wir für 150 € Visitenkarten drucken lassen – Geschäftsführer stand da drauf.

Was ich mit 22 Jahren nicht gemacht habe

Udo Schloemer ist Gründer der Factory in Berlin. Angelehnt an die Studios des Pop-Art Künstlers Andy Warhol, die ein New Yorker Schmelztiegel für Kunst und Kreativität waren, bietet die Factory in Berlin eine Plattform, um die Ideen von Startups mit den digitalen Herausforderungen von Großunternehmen zu vernetzen. Die Überzeugung: Je stärker die Digitalisierung voranschreitet, desto größer ist auch der Bedarf, sich analog auszutauschen – von Mensch zu Mensch.

Als mir Udo Schloemer in der 59. Folge meines Podcast erzählte, wie seine Laufbahn als Unternehmer begann, flatterten mir die Ohren. Die Factory baute er, weil er in so viele Startups investiert hatte, dass er es leid war, ständig quer durch die Hauptstadt zu fahren. Die finanziellen Mittel für die zahlreichen Startup-Investments verdiente er sich durch den mehrheitlichen Verkauf seiner Immobilienfirma an die Lehman Brothers im Jahr 2006 – gutes Timing. Die Immobilienfirma wiederum gründete er, weil ihm als 22-jähriger Versicherungsmathematiker auffiel, wie die vermögenden Kunden bei ihren Investitionen in Immobilien die horrenden Provisionen sparen konnten. Als er tatsächlich zwei Kunden von seinem ersten Produkt überzeugen konnte, gingen prompt die beteiligten Bauträgerfirmen pleite. Das war kein Fehlstart, sondern ein Fiasko! Nun hatte der begnadete Zahlenmensch genau zwei Optionen:

1.    Den ersten zwei Kunden seiner Firma sagen, dass aus ihrer Investition nichts wird.

2.    Die Objekte selbst fertig bauen und seine Kunden zufrieden stellen.

Mit 22 Jahren entschied sich Udo Schloemer dazu, seine Kunden nicht hängen zu lassen und warb Bauleiter von anderen Baustellen ab. Mit 22 Jahren unterschrieb er zur Finanzierung der zwei Bauvorhaben eine Bürgschaft von 2 Mio. DM.

Aaron: „Udo, wie war dieser Moment für dich, was hast du dir dabei gedacht?“

Udo: „Als ich die 2 Mio. unterschrieben hatte, dachte ich: Wenn das jetzt schief geht, brauchst du ungefähr 32 Jahre um das abzubezahlen, dann bist du 54 – ok, der 54-jährige kann ja auch nochmal von Null anfangen.“

Und ich habe mir mit 22 Jahren tatsächlich etwas auf meine Visitenkarte eingebildet.

 

 

Zur Podcastfolge geht es hier 🎧

Dr. Aaron Brückner
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